Telemedizin

Telemedizin

Seit Jahren ist in vielen Ländern der Welt die telemedizinische Tätigkeit des Arztes am Patienten bewährt; so in der fachlichen und technologischen Umsetzung exemplarisch in der Schweiz.

In Deutschland hat sich diese sinnvolle Ergänzung zur täglichen ärztlichen Arbeit in Klinik und Praxen juristisch und praktisch schwer getan. Die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages von Erfurt haben dies inzwischen nachhaltig geändert.

Ein ständiger Diskurs und die wissenschaftliche Bewertung telemedizinischer Arbeit werden in der International Society for Telemedicine and eHealth geleistet, die 1993 in Norwegen gegründet wurde und inzwischen 76 Länder und Territorien repräsentiert.

Telemedizin – Markt, Strategien, Unternehmensbewertung; eBook.

eedoctors – die erste virtuelle Arztpraxis der Schweiz; Mai 2017

Digitale Ethik: Diskussionspapier zu KI-basierten Systemen in der Medizin. Deutsches Ärzteblatt 9; 1. März 2019

Länderranking nach ausgewählten, aggregierten Telemedizinfaktoren (gewichtete Werte nach Häcker/ Reichwein/Turad

Schweiz38% (Platz 8)
Deutschland41% (Platz 6)
Grossbritannien56% (Platz 3)
Finnland58% (Platz 2)
USA62% (Platz 1)

International Society for Telemedicine and eHealth – bevorstehende Events:

Digital Health

Die Coronapandemie hat sich als Bewährungsprobe für die Telemedizin erwiesen. Und als Bestätigung der Sicht derer, die Telemedizin seit einem, teilweise zwei Jahrzehnten mutig und tatkräftig umsetzen. Die International Society for Telemedicine & eHealth (ISfTeH) unterstreicht in aktuellen Stellungnahmen die Bedeutung der Telemedizin während der Pandemie: „Telemedicine takes centre stage during pandemic. Health care leaders from around the world are accelerating their use of telehealth tools, enabling hundreds of thousands of patients to benefit from streamlined scheduling und virtual consultations“.

Aktuell allerdings geraten – am Ende der Pandemie- Teile dieser Entwicklung ins Stocken. Auf die Verhältnisse in Deutschland bezogen, weiß das Deutsche Ärzteblatt: „Der Hype um die Videosprechstunde ist vorbei.“ DÄ5|2023.“ Das Geschäftsmodell Videosprechstunde hat kein gutes Jahr hinter sich. Der Boom durch die Covid-19-Pandemie scheint nicht so nachhaltig zu sein, wie viele erwartet haben. Der Höhepunkt war 2021 mit mehr als 1,2 Millionen abgerechneten Stunden von Januar bis März erreicht.“ Der Artikel findet sich hier.

Die Association of American Medical Colleges (AAMC) stößt die Diskussion an: „What happens to telemedicine after Covid-19? Patients and providers worry they’ll lose the benefit of remote care“. Der Link ist hier.

Diesbezüglich ist das Laboratory for Welfare Technology zuversichtlicher: „Due to the unprecedented Covid-10 pandemic, treating  patients  remotely  is no longer a matter of convenience. Remote treatment has  become a vital  necessity for digital health stakeholders, organizations and providers if they are to provide care that is safe and effective.“

Zunehmend ist auch die Zahl der Anbieter von Qualitätskontrollen telemedizinischer Tätigkeit. So können sich Digital-Health-Provider bei Unternehmen wie URAC aus Washington/USA um Akkreditierungen und Zertifizierungen bewerben. URAG Inc-Utilization Review Accreditation Commission.

Der Vorsitz der ISfTeH hat gewechselt: am 4. Februar 2022 übernahm Dr. Michele Y. Griffith das Amt von Dr. Andy Fischer aus Basel, der es seit 2012 innehatte. „We thank Andy Fischer for his many years of leadership, engagement and support, and we look forward to continuing working with him, as he continues to be an active ISfTeH member through his company Medgate und through the Swiss Association for Telemedicine & eHealth“, heißt es in einer Note der Gesellschaft vom 4.2.2022. Dr.Griffith ist eine Internistin aus North Carolina, USA, mit über 30 Jahren Berufserfahrung und stellt sich hier vor.
Dr. Michele Griffith kandidiert im Dezember 2023 erneut für den Vorsitz im Board der ISfTeH.

UPDATE 10. März 2022: Otto Group aus Deutschland beteiligt sich mit einer Mehrheit an der Medgategruppe. Hier der Link.

Akademisierung der Telemedizin
Eine der vier strategischen Stoßrichtungen von Medgate International ist die Akademisierung. „Wir wollen die Akademisierung der Telemedizin vorantrei-ben und die hohe Qualität unserer Arbeit besser bekannt machen“, sagt Krisztina Schmitz-Grosz, CMCO der Medgate-Gruppe. Mit der Neuorganisation werden die Voraussetzungen geschaffen, damit sich ein aufzubauendes kleines Forschungsteam auf diese strategisch wichtige Aufgabe konzentrieren kann.
Ziel ist unter anderem die Anerkennung von Medgate als akademisches Institut und die akademische Etablierung der Telemedizin, wie Medgate sie lebt.
In diesem Zusammenhang treibt Medgate die Standardisierung und Etablierung der Ausbildung in Telemedizin und Digital Health in Zusammenarbeit mit der Universität Basel voran. Ziel von Medgate ist es, den Titel eines Aus- und Weiterbildungszentrums zu erlangen.


Honorierung: Inzwischen können EBM-Ziffern für Videokontakte abgerechnet werden. KBV und GKV-Spitzenverband haben sich auf eine Vergütung geeinigt. Diese wurde nach der anfänglichen GOP 01439 neu geregelt und erfolgt nun über die jeweilige Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale.

  • Ungeachtet aller Fortschritte verstummt keineswegs die Kritik am telemedizinischen Vorgehen; exemplarisch die Lesart der Freien Ärzteschaft e. V. in ihren Pressemitteilungen.
  • In der Auseinandersetzung sind stets die bemerkenswerten Unterschiede zu berücksichtigen, die bei der Verwendung des Begriffes „Telemedizin“ in den europäischen Ländern gemacht werden: in Deutschland ist zu unterscheiden zwischen der „Patientenüberwachung“ und der seit dem Ärztetag in Erfurt (Mai 2018) freigegebenen „Fernbehandlung“, während in der Schweiz beispielsweise vor allem die tagtägliche telefonische Behandlung, einschließlich des Ausstellens von Rezepten und Arbeitszeugnissen, Videokonsultation per App und das kassengetragene Angebot der Second Medical Opinion (SMO) gemeint sind. Hier gehen seit nun zwei Jahrzehnten im Alltag gut funktionierende Prozeduren Hand in Hand mit unermüdlichen Ergänzungen und Verbesserungen. So lag zuletzt ein Schwerpunkt der Neuerungen beim App-basierten Zugang des Patienten zum Arzt, wie bei dem SmartHealth-Angebot der Medgate AG.
  • Inzwischen bietet auch die SWICA als Schweizer Krankenversicherer einen von telemedizinisch erfahrenen Ärzten entwickelten App-basierten Kontakt an, der einen digitalen Symptomcheck, resultierende individuelle Empfehlungen zum weiteren Vorgehen, ein Lexikon sowie eine Fachpersonensuche umfasst.
  • App-basierte Angebote im Gesundheitsbereich nehmen zu: Das Deutsche Ärzteblatt thematisierte in seiner Ausgabe 12 vom 23. März 2018 Haftungsfragen beim Einsatz von Gesundheitsapps, benennt die noch fehlende rechtsgültige Verpflichtung für die App-Anbieter und zu erwartende Regelverschärfungen bei der Einordnung von Risikoklassen für Gesundheits-Apps im Rahmen einer Medical Device Regulation. Festgemacht wird dies am Beispiel der app-basierten Behandlung von Diabetespatienten. Auch diesbezüglich ist eine andere Schwerpunktsetzung beim Umgang mit Gesundheitsapps in der Schweiz festzustellen: hier übernehmen die Anwendungen bereits im Alltag die Terminanmeldung und -annahme noch am selben Tag sowie den direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient per Bild und Ton. Weniger zuversichtlich die derzeitige Bilanz für sogenannte Diagnoseapps: in der gleichen Ausgabe resümierte das Deutsche Ärzteblatt noch: „Wenig Evidenz“.
  • Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) publiziert hier den Leitfaden „Digital Health Ecosystem for African countries“. Ziel ist es, Bedarf, Voraussetzungen und Optionen für die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung digitaler Infrastrukturen und Dienstleistungen zur Verbesserung der Gesundheitssysteme afrikanischer Länder zu analysieren. In Auftrag gegeben wurde das Projekt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
  • Auch die International SOS Foundation lanciert nun Handlungsempfehlungen für telemedizinische Prozeduren unter dem Titel: „Teleconsultation Services for the Mobile Workforce; Considerations & Guidelines for the Provision of Global Services in Compliance with Regulations & Best Practice Clinical Standards of Care“.

Medgate

Medgate in der Schweiz ist Europas größtes Telemedicine Center (MTC) und wurde vor 21 Jahren gegründet. Inzwischen sind über 10,9 Millionen Telekonsultationen seit 2000 (Stand 2022) erfolgt mit bis zu 10.000 Patientenkontakten pro Tag zu Spitzenzeiten. Über 100 Ärztinnen und Ärzte arbeiten bei Medgate Schweiz, über 2000 bei der Medgate Gruppe mit über 600 Mitarbeitern insgesamt.

Die Medgateapp verzeichnete bislang 35.000 Downloads  (iOS und Android). Zuletzt (April 2021) kam es zu etwa 12.500 digitalen Terminvereinbarungen. Etwa die Hälfte aller medizinischen Fälle können am Telephon abschließend beraten und behandelt werden. Jeder 2. Einwohner in der Schweiz hat Zugang zu telemedizinischen Leistungen und rund eine halbe Million Schweizer haben ein Versicherungsmodell, bei dem sie in medizinischen Belangen zunächst Medgate anrufen. Der Anteil der Eltern, die für ihre Kinder anrufen, beträgt 20 % und der Anteil der Anrufe, der sich für die Telemedizin eignet, beträgt 80 %.

Im Oktober 2021 lancierte das Unternehmen die Medgate Kids Line und betreibt damit das Beratungstelefon für Notfälle bei Kindern und Jugendlichen im  Auftrag der Universitäts-Kinderspitale Basel und Zürich und seiner Kooperationspartner. Näheres gibt es hier und hier.

Vor Ort stehen den Patienten von Medgate die Medgate Mini Clinics und ein ausgedehntes Partnernetzwerk zur Verfügung; Standorte von Medgate International sind die Schweiz, Deutschland und die Philippinen.  Medgate ist rund um die Uhr und weltweit für die Patienten erreichbar. Eine MTC-Studie zur Patientenzufriedenheit der Universität Basel ergab eine Zustimmung von 89 % für das Kriterium „weiterempfehlen“ und 98 % für „wieder kontaktieren“. LINK Market Services publiziert für 2021 einen Wert von 85 %  für „Vertrauenswürdigkeit“ mit einem deutlichen Abstand zu Mitbewerbern in der Schweiz. Medgate errechnet durch den Einsatz der Telemedizin eine Kostenersparnis von 15-20 % für das Gesundheitssystem.

Juli 2020: Das Wirtschaftsmagazin CFI.co hat Medgate als „Best Global Telemedicine Provider 2020“ ausgewählt. Der Artikel findet sich hier.

Die Integrierten Versorgungsmodelle der Medgate-Gruppe senken Kosten: „nach Bereinigung der Risikoselektion verursacht heute ein Patient in einem unserer alternativen Versicherungsmodelle im Schnitt rund 10-15 % weniger Gesundheitskosten als ein Patient mit einer Standard-Grundversicherung“, heißt es in einer Bilanz der Gruppe.

Durch die langjährige Erfahrung an einem großen Patientengut besteht in der Schweiz inzwischen ein bewährter Umgang mit den Möglichkeiten der modernen telemedizinischen Konsultation, einschließlich des raschen Erkennens derjenigen Krankheitsbilder, die sich für diese Vorgehensweise nicht eignen und einer Realkonsultation zuzuführen sind.

Medienmitteilung: „Medgate bringt den Arzt dahin, wo die Patienten und Patientinnen ihn brauchen und setzt dazu auf Digital-Health-Lösungen. Dabei stehen das Wohl des Patienten und der Nutzen der Gesellschaft im Zentrum. Medgate wurde 1999 gegründet und beschäftigt heute für die Schweiz etwa 500 Mitarbeitende, davon über 110 Ärztinnen und Ärzte aus etwa 20 Fachgebieten. Seit dem Jahr 2000 betreibt Medgate mit der Medgate Tele Clinic in der Schweiz das größte ärztliche telemedizinische Zentrum Europas und verfügt über viel Erfahrung und Wissen in der Telemedizin. Für Konsultationen vor Ort stehen den Patienten die Medgate Mini Clinic sowie die Ärzte und Kliniken des Medgate Partner Network zur Verfügung. Medgate ist außerdem auf den Philippinen und in Deutschland präsent.“ Neu können alle in der Schweiz krankenversicherten Personen von Medgates langjähriger Erfahrung profitieren. Über die Medgateapp können sie rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr eine Telekonsultation mit den Ärztinnen und Ärzten von Medgate buchen. Diese wird gemäß regulärem Arzttarif (Tarmed) abgerechnet und ist von allen Schweizer Krankenversicherern anerkannt.

Die deutsche Stiftung Münch, die jährlich innovative Ideen für die öffentliche Gesundheitsversorgung auszeichnet, hat im Rahmen der Vergabe des Eugen-Münch-Preises 2016 dem Schweizer Unternehmen Medgate einen Sonderpreis verliehen für seine Vorreiterrolle in der telemedizinischen Patientenbetreuung. Informationen zu den Stiftungszielen und zur Preisverleihung finden sich unter diesem Link. Ein Video von der Preisverleihung findet sich hier.

Medgate Deutschland nahm inzwischen im Oktober 2020 den operativen Betrieb zur Betreuung von Kunden eingebundener deutscher Privatversicherer auf. Zugleich geht die Website „Pioneering Digital Health since 2000“ online mit dem Ziel der Darstellung von „Advanced telemedicine und digital health solutions for insurances and companies around the world“. medgate.care

Eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes bitkom vom Mai 2019 mit mehr als 1000 Teilnehmern findet eine Mehrheit unter den Bundesbürgern, was die Zustimmung zu digitalen Technologien im Gesundheitswesen angeht. 46 % der Umfrageteilnehmer gehen davon aus, dass aus Kostengründen Teilbereiche der medizinischen Versorgung künftig ausschließlich digital erfolgen. 65 % nutzen bereits heute bestehende Angebote wie Gesundheitsapps regelmäßig. Ebenfalls 65 % befürworten die Nutzung einer elektronischen Patientenakte und 62 % die Nutzung des elektronischen Rezepts. Bezüglich der zunehmend diskutierten Strategien, künftig den User digitaler medizinischer Angebote diese auch selbst bezahlen zu lassen, fand die bitcom-Umfrage einen Anteil von 15 % der Befragten, die bereit wären, eine kostenpflichtiges Jahresabonnement von 250 € abzuschließen, wenn sie sich jederzeit online den Rat eines Arztes einholen könnten.

Auf der Website des aend.de, des Ärztenachrichtendienstes, finden sich Beiträge zur lebhaften Diskussion über das Fernbehandlungsverbot in Deutschland. Die Freie Ärzteschaft e. V., ein Berufsverband zur Koordinierung der Interessen niedergelassener Haus- und Fachärzte gegen „eine rationierte Staatsmedizin und Bürokratisierung“ mit Sitz in Essen, formuliert in einem aktuellen Newsletter scharf ihre Skepsis: „Das mit der Fernbehandlung wird kontrovers, das zeigen bereits die verschiedenen Positionierungen der Landesärztekammern. Wichtig ist, dass sich der Ärztetag dem IT-Hype mit Sachverstand entgegenstellt, aber auch deutlich macht, dass der Fernbehandlungshype von Dritten kommt, von der Politik, IT-Industrie und mitunter Kassen, aber nicht von unseren Patienten. Eine reine Fernberatung kann gegenüber der richtigen Behandlung immer nur minderwertig sein. Warum sollten wir diesen Qualitätsverlust selbst inszenieren? Gegen kompetente Triage mittels Telemedizin ist nichts einzuwenden. Das machen wir per Telefon seit Jahrzehnten. Aber Triage ist eben keine Behandlung. Die Fernbehandlung ist ein Sujet der Kommerzialisierung. Die Industrie will Geld verdienen, die Kassen wollen damit sparen, so wie bei den Spartarifen in der Schweiz.“

Die in Hamburg ansässige „Stiftung Gesundheit“ fand demgegenüber in ihrer Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“: fast die Hälfte (47 %) der befragten niedergelassenen Mediziner erwägen, künftig ihren Patienten Videosprechstunden anzubieten; 2015 waren es noch 38,7 %. Stark gesunken dagegen ist das Interesse der Mediziner am Praxismarketing per Internet. „Der Hype ist offenbar vorbei“, schreibt dazu das Hamburger Abendblatt.

Auch das US-Unternehmen Apple bietet eine digitale Patientenakte an: die Gesundheitsapp „Attain“, die Sensordaten aus der Apple Watch einbezieht und zusammen mit dem Versicherungsunternehmen Aetna entwickelt wurde. Die Entwickler preisen die Datensicherheit, die Beachtung der Privatsphäre und den Nutzen personalisierter Gesundheitsempfehlungen. Erhebliche Bedenken wegen naheliegender Rückschlüsse auf Lebensführung, Fitness und Gesundheit werden anderenortes (Die Presse; Österreich) formuliert.

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Dr. med. Helmut Nigbur

Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie

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